Die Grasminiermotte Elachista gangabella Zeller, 1850 – eine vielfach übersehene Art?

Die Raupen der Grasminiermotte Elachista gangabella sind aktuell auf sehr einfache Art und Weise zu finden, wenn man einen Blick auf die Blätter der Wald-Zwenke (Brachypodium sylvaticum) wirft.

In deren Blättern miniert die Raupe und „formt“ eine Mine, die im Frühherbst eigentlich unverwechselbar ist.  Die Mine beginnt in der Regel in der Hälfte des Blattes und frisst in Richtung Blattspitze in einem zunächst sehr schmalen Gang.
Sobald die Spitze oder deren Nähe erreicht ist, kehrt die Raupe um und frisst in Richtung Stängel. Die Mine erscheint aktuell durchsichtig, die Ränder sind stark ausgezackt.

Mine und Raupe von Elachista gangabella (Foto: Dieter Robrecht)

In der Literatur werden als Wirtspflanze die Wald-Zwenke (Brachypodium sylvaticum), Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum), das Gewöhnliches Knaulgras (Dactylis glomerata) und das Nickende Perlgras (Melica nutans) genannt (KAILA, 2019). STEUER (1973) schrieb, dass die Wald-Zwenke die Hauptnahrungspflanze sei. Ich fand die Raupen ebenfalls an Wald-Zwenke, nur eine Raupe an Perlgras.

Typischer Fundort von Elachista gangabella an einem Waldweg. Lichtenau-Herbram, 29. August 2025 (Foto: Dieter Robrecht)

Zum Standortanspruch der Wald-Zwenke ist im Internetportal www.floraweb.de zu lesen: „Frische bis feuchte Laubmischwälder, Waldschläge, an Waldwegen, Waldränder, Hecken, basenhold, nährstoffanspruchsvoll.“ Meine Funde gelangen in Ostwestfalen an vielen Stellen, allerdings stets an Waldrändern und den Rändern von Waldwegen, vorrangig auf kalkhaltigem Untergrund.

Typischer Fundort von Elachista gangabella 12. September 2025 (Foto: Dieter Robrecht)

Die Minen von Elachista gangabella sind auffällig und zum Teil gehäuft zu finden. 19. September 2025 (Foto: Dieter Robrecht)

Die Minen Raupen waren nur im Halbschatten zu finden, in der prallen Sonne fand ich nie. An den Standorten minierten jeweils etliche Raupen, teils über 100 auf kleinem Raum!
Die Raupen sind im Spätherbst erwachsen und überwintern im Blatt, indem sie sich durch ein leichtes Gespinst schützen. Im Frühjahr verlassen die Raupen die Mine, ohne erneut zu fressen, und verpuppen sich an einem Blatt oder Stängel. Die Falter fliegen von Mitte Mai bis Anfang Juli in einer Generation.

Elachista gangabella ZELLER, 1850. Foto: Dieter Robrecht

Elachista gangabella ZELLER, 1850. Foto: Dieter Robrecht

BIESENBAUM (1995) hatte noch geschrieben „Nur an wenigen Stellen nachgewiesen“. Im Vorwort der Lepidopterenfauna Band 4 wies er darauf hin, dass nur wenig über die Verbreitung der Elachistinae in unserem Arbeitsgebiet bekannt ist.

Wer suchet, der findet! Nachweiskarte von E. gangabella, Stand 23. September 2025.
Alle Nachweise: Dieter Robrecht

An meinen oben beschriebenen Fundorten hätte ich wahrscheinlich niemals Lichtfang betrieben oder in den Abendstunden nach den Faltern gekeschert. Meine intensive Suche in den vergangenen drei Wochen zeigt jedoch, dass gerade die Raupen-  und Minensuche zu erstaunlichen Ergebnissen führen kann.


Nachtrag und Aufruf zur Mitarbeit:
Gemeinsam mit Wolfgang Wittland arbeite ich derzeit am Band 22 im Rahmen der Schriftenreihe „Die Lepidopterenfauna der Rheinlande und Westfalens“. Wir verfolgen das Ziel, den Band im Herbst 2026 fertig zu stellen.

In unserem Arbeitsgebiet wurden bislang 60 Arten nachgewiesen.  Wir werden jedoch  81 Arten behandeln und Falter (lebend und gespannt), männliche Genitalien, teilweise Minen und Raupen sowie Habitat Fotos abbilden. Wir gehen davon aus, dass bei intensiver Beschäftigung mit den Elachistidae weitere Nachweise für unser Arbeitsgebiet erfolgen können. Wer seine Liebe nicht zu dieser faszinierenden Familie entdeckt, da die Bestimmung der Falter oftmals eine Genitaluntersuchung erfordert, kann zumindest durch die Raupensuche die Kenntnis über die Verbreitung erweitern:


Literatur und Links:

Kaila, L. (2019): An annotated catalogue of Elachistinae of the World (Lepidoptera: Gelechioidea: Elachistidae). — Zootaxa 4632 (1): 1-231.

Biesenbaum, W. (1995): Die Lepidopterenfauna der Rheinlande und Westfalens, Band 4. Familie: Elachistidae Bruand, 1850. Unterfamilie: Elachistinae Swinhoe & Cotes, 1889. 200 S. und 10 Tafeln. Leverkusen.

Steuer, H. (1973): Beiträge zur Kenntnis der Elachistiden (Lepidoptera) Teil I. — Deutsche Entomologische Zeitschrift, Neue Folge 20 (1-3): 153-169

Elachista gangabella im Lepiforum

Nachweiskarte von Elachista gangabella im Melanargia-Portal

Wald-Zwenke (Brachypodium sylvaticum) bei Floraweb.de

Tabelle: Vergleich Wald-Zwenke / Fiederzwenke 

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Die Reingraue Staubeule (Caradrina gilva) in der zweiten Generation

In diesem Jahr ist es mal wieder soweit: Die Reingraue Staubeule (Caradrina gilva) zeigt sich in einer zweiten, partiellen Generation.

Auf meinem Balkon in der Innenstadt von Wuppertal-Barmen kam am 20. September ein erster frischer Falter ans Licht.

Seit dem erstmaligen Auftreten der Frühlings-/Frühsommergeneration hier im Jahr 2013 gab es alle paar Jahre mal wieder vereinzelte Falter einer Herbstgeneration. So zum Beispiel in den Jahren 2018 und 2021, siehe auch https://portal.melanargia.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=447280.

In der Literatur wird die Art bisher als univoltin bezeichnet. So berichten STEINER et al. (2014) für Deutschland über Flugzeiten im Juni/Juli und BACHELARD et al. (2007) sogar für Frankreich nur von einer Flugzeit zwischen Juni und August. Im Lepiforum findet sich daneben aber ein Bericht über den Nachweis  eines Falters Ende Oktober in der Region Hannover, der einer zweiten Generation zugeordnet wird.

Nachweise von Caradrina gilva in Nordrhein-Westfalen, mit Pfeil auf den Fundort in Wuppertal, Stand 21. September 2025, Quelle: portal.melanargia.de

Wahrscheinlich ist das Erscheinen frischer Falter im September/Oktober den Besonderheiten innerstädtischer Lebensräume geschuldet.
Fazit: Es lohnt sich allemal, auch mitten in den Großstädten das ganze Jahr über Lichtfang zu betreiben!

Literatur und Links

Nachweise und Statistik von Caradrina gilva auf observation:
https://observation.org/species/534762/statistics/ 

Bachelard, P., Bérard, R., Colomb, C., Demerges, D., Doux, Y., Fournier, F., Gibeaux, C., Maechler, J. Robineau, R., Schmit, P. & Tautel, C. (2007): Guide des papillons nocturnes de France. Plus de 1620 espèces décrites et illustrées. – Paris, Delachaux et Niestlé, 288 S. 55 Farbtafeln

Steiner, A., Ratzel, U., Top-Jensen, M. &  Fibiger, M. (2014): Die Nachtfalter Deutschlands. Ein Feldführer. – 878 S., BugBook Publishing (Oestermarie, Dänemark)

 

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Der Rote Ampfer-Glasflügler erstmals im Ruhrgebiet

Beobachtungen und Fotos von Menschen, die eigentlich gar nicht viel mit Schmetterlingen zu tun haben, sind in den zurückliegenden Jahren zu einer unverzichtbaren Informationsquelle für Falterforscher aller Art geworden.

So liefern die Schwebfliegenkenner, Käfersammler und Wildbienenfreunde und sogar die Botaniker immer wieder schöne und interessante Bilder und Beobachtungen von Arten, die normalerweise „unter dem Radar“ durchfliegen.

Abbildung 1: Pyropteron chrysidiformis an Origanum vulgare.  Landschaftspark Duisburg, 23. Juni 2025 (Foto: Thorsten Pietsch)

Der Rote Ampfer-Glasflügler Pyropteron chrysidiformis ist so eine Art, die von den Tagfalterbeobachtern gerne übersehen wird,. Und die beim Licht- und Köderfang erst recht – weil tagaktiv – nicht zu erwischen ist. Die Art hat ihr Areal in den zurückliegenden Jahren über die Weinbergslagen im Mittelrhein- und Ahrtal hinaus nach Norden erweitert. Darüber hatte Jörg Siemers hier schon 2023 berichtet[1], bisher lag die Nachweisgrenze  nordwestlich von Köln.

Im Hitzesommer 2025 ist P. chrysidiformis erstmals nördlich der Ruhrmündung beobachtet worden: Im Landschaftspark Nord in Duisburg-Meiderich fotografierte der Käferkundler Thorsten Pietsch einen Falter beim Blütenbesuch. Der Kollege drückte genau in dem Moment auf den Auslöser, als der Falter mit ausgefahrenem Rüssel in den Röhrenblüten von Oregano (Origanum vulgare) nach Nektar suchte. Und so haben wir jetzt einen neuen, vorgeschobenen Verbreitungspunkt im Niederrheinischen Tiefland, und eine Vorstellung, wo sich die Falter ihren Proviant holen.

Roter Stern: Neuer Fundort des Roten Ampfer-Glasflüglers im MTB 4506/2 Duisburg. Quelle: https://portal.melanargia.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=440043

Bei der Ausdehnung der trockenen Brachflächen im Ruhrgebiet und der Raupennahrungspflanze (z.B. Stumpfblättriger AmpferRumex obtusifolius) wird der Falterfund mit einiger Sicherheit nicht alleine stehenbleiben. Industriebrachen und alte Gleisanlagen mit entsprechendem Bewuchs sind im Ruhrgebiet reichlich vorhanden. Und mittlerweile gibt es ja im „Pott“ auch schon einige größere Weinberge, z.B. an der Emscher, in Herne, Castrop-Rauxel und Dortmund [2].  Mit weiteren Funden im Ruhrgebiet oder noch weiter nördlich ist also unbedingt zu rechnen.

Für das aktuelle Jahr 2025 ist die Flugzeit noch nicht ganz vorbei, P. chrysidiformis fliegt von Anfang Mai bis in den August. Der Nachweis kann wie oben beschrieben über die Suche an Blüten erfolgen, die Männchen des Roten Ampfer-Glasflüglers fliegen zudem an das Pheromon für den Apfelbaum-Glasflügler (S. myopaeformis, Wageningen-Präparat SYMY) an.

Danke an Thorsten Pietsch für die Bereitstellung des Fotos, die Originalbeobachtung findet sich auf observation.org unter https://observation.org/observation/358438084/.


Links

[1] https://www.ag-rh-w-lepidopterologen.de/2023/06/02/noch-ein-klimawandel-gewinner-der-rote-ampfer-glasfluegler-auf-dem-vormarsch/

[2] https://www.ruhrnachrichten.de/castrop-rauxel/weinanbau-an-der-emscher-6700-reben-auf-groesstem-weinberg-der-region-in-castrop-rauxel-w928679-2001348006/

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Spinner, Spannereulen und das Düsseldorfer Loch

Ringelspinner-Raupe. Detzem/Mosel 26. Mai 2024, Foto: Armin Radtke

Schmetterlingstechnisch hat die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen einen schlechten Ruf: Etliche Tag- und Nachtfalter machen einen weiten Bogen um Düsseldorf. Es gibt jedoch auch Arten die hier aktuell ihren Schwerpunkt haben.

Die Feldsaison 2025 ist voll im Gange, und wie jedes Jahr füllen sich E-Mail-Postfächer, Messenger, Chats und Datenbanken mit Beobachtungen häufiger und seltener Falter. Aktuell haben wir über die Vorkommen von vielen Arten ziemlich gute Vorstellungen, alleine durch die schiere Masse an Beobachtungen, die über die verschiedenen Online-Plattformen gemeldet werden. Dabei fällt immer wieder ein Phänomen auf, dass wir intern als das „Düsseldorfer Loch“ bezeichnen – eine Lücke in der Verbreitung mancher (Nacht-)Falter, für die wir bislang keine rechte Erklärung haben.

Ein Beispiel ist der Ringelspinner Malacosoma neustria, in früheren Zeiten anscheinend ein Massentier, das in Obstgärten starke Fraßschäden verursachte. Die Raupen marodieren vor allem an Prunus-Arten (Rosengewächse: Kirschen, Pflaumen usw.), STAMM (1981) schreibt zum Vorkommen von M. neustria lapidar: „Überall“.

Abbildung 1: Nachweise von Malacosoma neustria (2010-2025) rund um das „Düsseldorfer Loch“. Quelle: Observation.org, Stichting Observation International und lokale Partner

Aktuell fehlt der Ringelspinner in einem breiten Streifen vom Niederrhein bis ins Sauerland, und das bei hoher Beobachterdichte in der Region. Rundherum kommt die Art vor, in Holland, Belgien, Rheinland-Pfalz, und auch nördlich des Ruhrgebietes. Weiterlesen

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Mosel-Apollofalter: Aussterben durch lebensraumtypisches Risiko?

Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zweierlei Dinge. Der Eilantrag gegen die zum x-ten Mal verlängerte Ausnahmegenehmigung der Hubschrauberspritzung an der Mosel ist erst einmal durch das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Hauptsacheverfahren ist jedoch bisher nicht entschieden. Derweil geht das Faltersterben weiter.

Liebe Freundinnen und Freunde des Apollofalters,
wie Ihr wisst, haben die Deutsche Umwelthilfe und unser Verein zusammen im Dezember 2024 beim Verwaltungsgericht Koblenz Klage gegen die Ausnahmegenehmigung für das Versprühen von Fungiziden mit Luftfahrzeugen (Hubschrauber und Drohne) eingereicht. Diese Klage betrifft die Genehmigungen aus dem Jahr 2024. Anfang Mai wurden wieder Bescheide mit geändertem – aber ähnlichem Inhalt – erteilt, die auch sofort umgesetzt wurden. Gegen diese Genehmigungen hat die Deutsche Umwelthilfe versucht per Eilantrag vorzugehen. Der Antrag wurde vergangene Woche durch das Verwaltungsgericht abgelehnt. Den genauen Wortlaut des lesenswerten Beschlusses (auf der Seite der Pressemitteilung verlinkt) findet Ihr hier:
https://vgko.justiz.rlp.de/presse-aktuelles/pressemitteilungen/detail/apollofalter-eilantrag-gegen-hubschrauberspritzungen-an-der-mosel-erfolglos

Im Wesentlichen lautet die Begründung in der Pressemitteilung:

„Die pflanzenschutzrechtliche Genehmigung zur Ausbringung bestimmter Fungizide mittels Hubschrauber erweise sich nach der im Eilverfahren angezeigten summarischen Prüfung anhand der vorgelegten Unterlagen als rechtmäßig, so die Koblenzer Richter. Der Genehmigung stünden die von der Antragstellerin aufgezeigten naturschutzrechtlichen Vorschriften nicht entgegen. Es fehle an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu, ob die Ausbringung der von der Genehmigung erfassten Pflanzenschutzmittel mit Hubschraubern schädliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand des Mosel-Apollofalters habe. Hingegen hätte nach derzeitigem Erkenntnisstand eine im Eilverfahren stattgebende Entscheidung zwangsläufig negative Folgen für den Erhalt der Habitate des Apollo-Falters. Ohne die luftgestützte Anwendung von Fungiziden könnten die Rebflächen nicht ökonomisch bewirtschaftet werden, was aller Voraussicht nach zu einer Aufgabe des Weinbaus in diesen Lagen führe. Nicht bewirtschaftete Rebflächen würden innerhalb kürzester Zeit verbuschen und seien damit als Habitate für den Mosel-Apollofalter ungeeignet. Der Verlust von geeigneten Habitaten sei eine zentrale Ursache der negativen Bestandsentwicklung des Mosel-Apollofalters.“

Es gibt sie noch, Apollofalter an der Mosel 2025. Sind das die „Letzten Mohikaner“? (Foto: Tim Laussmann)

Das Gericht folgt somit vollständig der Argumentation des Landes Rheinland-Pfalz. Dies ist für uns eine ziemlich schlechte Nachricht, denn diese Entscheidung wird sicher auch auf das Hauptsacheverfahren, also die Klage gegen die Genehmigungen aus dem Jahr 2024, Auswirkungen haben.

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Melanargia e.V. – Mitgliederversammlung 2025 in Eitorf

Die gute Nachricht vorab: Der Verein wächst, die Mitgliederzahl steigt, es kommen Jüngere hinzu, die Kasse ist gut gefüllt. Die 2025-er Mitgliederversammlung in Eitorf war perfekt organisiert und gut besucht. Weniger schön: Den Schmetterlingen geht es eher schlecht!

Die Hauptversammlung der Arbeitsgemeinschaft fand am letzten März-Samstag 2025 in den Räumen der Biostation in Eitorf an der Sieg statt. Am Vormittag waren die Vereinsformalien an der Reihe, nachmittags gab es Vorträge, am Abend dann Lichtfang an den Sieghängen, dazu noch Hin- und Rückreise: Der Tag hielt für etliche Teilnehmer 14 und mehr Stunden dicht gepacktes Programm bereit. Die Corona-Epidemie hatte in den vergangene Jahren für allerlei Durcheinander bei den Terminen gesorgt, aber jetzt sind wir wieder im „normalen“ Rhythmus, mit der Mitgliederversammlung im zeitigen Frühjahr.

Ohne Informatik geht heutzutage nichts mehr: Data Warehouse für Schmetterlinge, professionell präsentiert von Brigitte Schmälter. (Foto: A. Dahl)

Geschäftsbericht, Kassenstand, Kleine Satzungsanpassungen, EDV und Datenbank, Verschiedenes: Was den Zustand des Vereins betrifft kann man sagen: Wir sind auf gutem Weg. Eine Rekordzahl von mehr als 330 Mitgliedern, dazu eine gute Mischung aus Alt und Jung im Vorstand, das sieht in anderen entomologischen Vereinen deutlich anders aus.  Um den Verein mit dem sperrigen Namen nach außen sichtbarer zu machen, bekommt die Arbeitsgemeinschaft einen – einstimmig beschlossenen – Namenszusatz: „Melanargia – Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e. V.“ – kurz: Melanargia e.V.
Damit rückt der Verein 95 Jahre nach der Gründung ein wenig von dem Buchstabensalat der ehemaligen preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen ab. Auf der Webseite und auch im Titel der Vereinszeitschrift war das ja schon seit vielen Jahren gelebte Praxis.

Wichtigstes Thema der Versammlung war aber mit Sicherheit der Kampf des Vereins für den Erhalt des Mosel-Apollofalters und seiner Lebensräume. Tim Laußmann berichtete über den aktuellen Stand des Verfahrens gegen die Genehmigungspraxis bei der Hubschrauberspritzung, das wir zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) führen. Allgemeines Kopfschütteln gab es für die Vorstellungen, man könne die Vorkommen im Tal und die Giftspritzerei in den Weinbergen dadurch „entflechten“, dass man den Falter in die Nebentäler umsiedelt.

À propos Gift: Früher verschwanden die Amtsgeheimnisse, die man der Bevölkerung nicht zumuten wollte, einfach in den sogenannten „Giftschränken“ der Behörden. Heute kommt man an mit Steuergeldern finanzierte Studien und Gutachten heran, mit Hilfe des Landestransparenzgesetzes. Neue Untersuchungen in den Weinbergen belegen die toxischen Verhältnisse in den vom Hubschrauber gespritzten Lagen der Terassenmosel. Die Giftkonzentrationen in den untersuchten Sedum-Pflanzen sind offenbar ausgerechnet im zeitigen Frühjahr am höchsten, dann wenn die Raupen des Moselapollos ausschlüpfen und anfangen vom Mauerpfeffer zu fressen. Dass der Apollofalter nur durch die Tätigkeit der Winzer überlebt, ist und bleibt ein Ammenmärchen.

Gruppenbild mit Damen: In der Mittagspause blinzelten die Teilnehmer der Mitgliederversammlung in die Märzsonne. (Foto: Dahl)

Neues rund um den Mosel-Apollo und seine Lebensräume berichtete Daniel Müller. Auch größere Maßnahmen gegen Verbuschung täuschen nicht darüber hinweg, dass die Individuenzahlen der letzten Populationen an der Mosel steil nach unten zeigen. Weiterlesen

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Internationale Fachtagung: Blauschillernder Feuerfalter, Klimawandel und Naturschutz

Das Team des LIFE-Projektes „Patches & Corridors – Entwicklung eines Habitatnetzwerkes für den Blauschillernden Feuerfalter“ – richtet am 22. und 23. Mai 2025 eine internationale Fachtagung mit dem Titel „Blauschillernder Feuerfalter, Klimawandel und Naturschutz“ aus.

Im Jahr 2017 startete die Biologische Station StädteRegion Aachen e.V. mit der Umsetzung des EU geförderten LIFE Projektes „Patches & Corridors“ – Habitatnetzwerk für den Blauschillernden Feuerfalter. Ziel war es, Habitate der europaweit gefährdeten Schmetterlingsart in der Nordeifel zu sichern, zu entwickeln und miteinander zu vernetzen.

Seitdem ist in der Projektkulisse rund um Monschau und Simmerath zu Gunsten der Natur einiges passiert. Gleichzeitig war die Zeit global geprägt von Klimaextremen, die an den etablierten Leitbildvorstellungen des Naturschutzes kratzen. Frost- und schneearme Winter, Rekordtemperaturen und Spätfröste im Frühling, trocken-heiße Sommer in Kombination mit Starkregenereignissen, Fichtensterben und die daraus resultierenden forstpolitischen Perspektiven zwingen den Naturschutz, neue Ideen im Biotop- und Artenschutz zu entwickeln.

Die Vorträge der Fachtagung thematisieren das Vorkommen von Lycaena helle in unterschiedlichen Regionen Europas sowie Perspektiven des Schmetterlingsschutzes vor dem Hintergrund des Klimawandels. Die Veranstaltung soll Lepidopterologen und Naturschützer zusammenbringen, um ihre Erfahrungen und Ideen zu althergebrachten Praktiken und Leitbildern des Biotop- und Artenschutzes auszutauschen und zu überdenken. Zwei Exkursionen führen zu typischen Habitaten des Blauschillernden Feuerfalters an Perlenbach und Rur.

Wann und wo?

22. & 23. Mai 2025
Aukloster
Austraße 7

52156 Monschau

Eine virtuelle Teilnahme ist möglich. Über einen Dolmetscher werden die Vorträge simultan übersetzt (deutsch-englisch).

Wenn Sie an der Fachtagung teilnehmen möchten, melden Sie sich bitte bis zum 28.03.2025 per Email (info@bs-aachen.de) mit folgenden Angaben an:

– Name, Vorname, Anschrift
– Teilnahme an beiden Tagen / nur am 22. oder 23.05.2025
– Teilnahme hybrid oder in Präsenz

>> Zum Programm der Tagung

>> Alle Termine

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Arbeitsgemeinschaft und DUH klagen gegen Hubschrauberspritzung an der Mosel

Der Erhalt des Mosel-Apollofalters ist für die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. sehr wichtig. Nun haben wir zusammen mit der Deutsche Umwelthilfe (DUH)  vor dem Verwaltungsgericht Koblenz Klage gegen die Ausnahmegenehmigung für die Hubschrauberspritzung von Pestiziden in Rheinland-Pfalz eingereicht.

Liebe Vereinsmitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Mosel-Apollofalters,

wie bereits auf unserer Internetseite mehrfach berichtet, steht die dramatisch negative Bestandsentwicklung des Mosel-Apollofalters nach unserer Ansicht in Zusammenhang mit dem Versprühen einer Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft im unmittelbaren Umfeld der felsigen Lebensräume des Schmetterlings. Die Spritzungen finden zwischen Mai und August alle 8 bis 10 Tage statt.

Zusammen mit der aktuellen Ausgabe der „Melanargia“ haben wir im vergangenen Jahr einen Spendenaufruf versendet. Am 13. Dezember 2024 haben wir nun, zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH), beim Verwaltungsgericht Koblenz eine umfangreiche Klageschrift gegen die durch das Land Rheinland-Pfalz erteilten Ausnahmegenehmigungen für die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln per Luftfahrzeug – zurzeit im Regelfall Hubschrauber – eingereicht. Gleichzeitig geht die DUH mit unserer fachlichen Begleitung auf Bundesebene gegen die Genehmigung der Mittel für die Anwendung aus der Luft vor.

Die Entscheidung zur Klage ist uns nicht leichtgefallen, und bedeutet für unseren Verein mit 330 Mitgliedern eine große Kraftanstrengung und finanzielle Belastung. An dieser Stelle sprechen wir den zahlreichen Spenderinnen und Spendern unseren herzlichen Dank aus! Weitere Spenden sind selbstverständlich jederzeit willkommen (Stichwort: Artenvielfalt).

Darüber hinaus sind wir sehr froh, dass die DUH uns als starker Partner zur Seite steht. Vorausgegangen waren mehr als zwei Jahre, in denen wir uns intensiv mit einer Vielzahl von Schreiben an Bundes- und Landesbehörden sowie an Ministerien für eine Einschränkung der Hubschrauberspritzungen eingesetzt haben. Die Diskussion lief weitgehend zwischen uns und den zuständigen Behörden sowie Vertretern des Weinbaus (Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum) ab, kam jedoch Ende 2023 an die Öffentlichkeit, als den Winzerinnen und Winzern mögliche Einschränkungen bei der Hubschrauberspritzung bekannt gegeben wurden. Die daraufhin in den Medien öffentlich geführte Debatte wurde leider auf einen Konflikt zwischen Winzern und Naturschützern reduziert, obwohl es nie unsere Absicht war, den Weinbau in Frage zu stellen.

Dabei ist die Gemengelage ausgesprochen kompliziert: Während sich das Umweltbundesamt und das Bundesamt für Naturschutz klar gegen die Fortsetzung der Hubschrauberspritzungen positionierten, wurde durch die lokalen Behörden dennoch entschieden, die Spritzungen – mit einer in den „Apollogebieten“ seit dem Jahr 2024 eingeschränkten Auswahl an Chemikalien – fortzuführen. Gleichzeitig wird Geld investiert, um den Mosel-Apollofalter und die Rebflächen zu „entflechten“: Ehemalige Lebensräume in den Nebentälern der Mosel sollen wiederhergestellt werden und der Apollofalter soll dort angesiedelt werden. Derartige Umsiedlungsprojekte müssen nicht unbedingt erfolgreich sein, auch wenn sie sicherlich gut gemeint sind. Die Logik, weshalb der Weinbau und der Apollofalter nicht mehr zueinander passen, obwohl die im Pflanzenschutz verwendeten Stoffe doch angeblich unschädlich sein sollen, hat sich uns letzten Endes nicht erschlossen. Unser Vorschlag, das Naturschutzgebiet Brauselay durch eine EU-geförderte Maßnahme unter Einbeziehung der lokalen Winzer für den Erhalt des Apollofalters qualitativ aufzuwerten, stieß allenfalls auf halbherzige Gegenliebe.

Bei den Gesprächen mit den Behörden vor Ort ist uns klar geworden, dass eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit in der Auslegung der Naturschutzgesetzgebung besteht. Von einem durch die Behördenvertreter propagierten „Schulterschluss“ von Landwirtschaft und Naturschutz kann keine Rede sein. Gleichzeitig wurde uns deutlich gemacht, wie sehr der Weinbau von dem Chemikalieneinsatz abhängig ist. Die Formel lautet: Ohne intensiven Einsatz von Pflanzenschutzmittel gibt es keinen Wein – dies ist bei Monokulturen wenig überraschend. Wir haben verstanden, dass der Weinbau auf Grund zunehmender Resistenzen und invasiver Schädlinge in einer schwierigen Lage steckt. Die Auswahl der Pflanzenschutzmittel ist zunehmend eingeschränkt. Innovative Konzepte beim Pflanzenschutz fehlen und somit wird an den Pflanzenschutzkonzepten aus den 1970er Jahren festgehalten.

Als durch das Umweltbundesamt anerkannte Umweltvereinigung fokussieren wir uns auf den Erhalt der Natur und der eindrucksvollen Artenvielfalt an der Mosel. Auch das ist ein wichtiges Kapital der Moselregion, und sollte als touristischer Wirtschaftsfaktor mehr Wertschätzung erfahren. Wir würden uns eine personelle und finanzielle Stärkung des behördlichen Naturschutzes in Rheinland-Pfalz wünschen.

Ziel der Klage ist es, den Mosel-Apollofalter an seinen natürlichen Standorten vor dem Aussterben zu bewahren. Wir hoffen auf eine eingehende verwaltungsrechtliche Überprüfung der Ausnahmegenehmigungen für den Pflanzenschutzmitteleinsatz aus der Luft mit Hubschraubern und Drohnen. Hierdurch wird Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen, welche in ein umweltverträglicheres Konzept beim Pflanzen- und Insektenschutz münden kann und somit dauerhaft eine nachhaltige und rentable Nutzung der Rebflächen ermöglicht wird.

Herzliche Grüße und besten Dank an alle die unser Anliegen unterstützen!
Dr. Tim Laußmann
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V.

Pressemitteilung und Hintergrundpapier

>> Drohende Ausrottung des Mosel-Apollofalters: Deutsche Umwelthilfe und Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen reichen Klage gegen Pestizideinsatz in Rheinland-Pfalz ein.

>> Hintergrundpapier zur Klage gegen die Anwendung von Pestiziden mit Luftfahrzeugen

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Spanische Flagge – Euplagia quadripunctaria: Schmetterling des Jahres 2025

Schmetterling des Jahres 2025: Die Spanische Flagge

Schmetterling des Jahres 2025: Die Spanische Flagge – Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761)
Rheinland-Pfalz, Altenahr. 7. August 2014 (Foto: Tim Laußmann)

Schmetterling des Jahres 2025 ist die Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria). Die BUND NRW Naturschutzstiftung und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. haben den bunten Nachtfalter gemeinsam ausgewählt.

Die Spanische Flagge breitet sich seit einigen Jahren immer weiter nach Norden aus. Das haben Bürger*innen über online-Plattformen dokumentiert. Über Webseiten wie Observation.org und mobile Apps wie ObsIdentify können Naturbegeisterte ihre Beobachtungen schnell per Handyfoto festhalten, und liefern so viele Millionen wichtige wissenschaftliche Daten.

Mit Hilfe der Bevölkerung ergibt sich so eine deutlich verbesserter Kenntnisstand, und auch das Bewusstsein für die lokale Artenvielfalt wird über Citizen Science gefördert.

Die Spanische Flagge ist während seiner Hauptflugzeit im August auch tagsüber aktiv. Ihre Flügel sind schwarz-weiß gemustert, wodurch sie leicht zu bestimmen ist. Dennoch ist die Spanische Flagge zwischen Zweigen und Stängeln nur schwer zu entdecken. Sobald sie auffliegt oder ihre Vorderflügel öffnet, werden die leuchtend orangeroten Hinterflügel sichtbar. Diese Warnfärbung tragen auch etliche weitere der zu den „Bärenspinnern“ (wiss. Arctiinae) gehörenden Arten,  sie schützt die Schmetterlinge vor Fressfeinden.

Mit gut fünf Zentimetern Spannweite gehört die Spanische Flagge zu den größeren Nachtfalter-Arten. Beim Betrachten des Falters fällt zuerst die schwarze Grundfarbe mit weißen Zeichnungselementen auf, vor allem die drei großen weißen Streifen, einer vorn und zwei weiter hinten, die je nach Individuum ein V bis Y bilden. Mit diesem Muster ist er im Geäst oder Gewirr von Stängeln hoher Stauden gerade bei Sonnenlicht gut getarnt. Wenn er allerdings auffliegt oder die Vorderflügel spreizt, sieht man die orange-roten, selten auch gelben Hinterflügel mit schwarzen Flecken. Auch der Leib ist rot-orange mit schwarzen Flecken. Die rote Farbe dient der Warnung, denn Fressfeinde wie Vögel schrecken einen Augenblick zurück und geben dem Falter damit genug Zeit zur Flucht. Das kann für den Vogel auch von Vorteil sein, denn wie viele Bärenspinnerarten enthält die Körperflüssigkeit des Falters Giftstoffe.

Wasserdost ist die Lieblingspflanze zum Nektarsaugen

Als Nektarpflanze bevorzugt die Spanische Flagge den Gewöhnlichen Wasserdost (Eupatorium cannabinum). Sie findet aber auch an vielen anderen Blüten Nahrung. Mit einer Flügelspannweite von etwa fünf Zentimetern gehört sie zu den größeren Nachtfaltern Europas. Die Spanische Flagge lebt vor allem in strukturreichen Landschaften mit Hecken, Waldrändern und blütenreichen Wiesen, die durch Flächenverbrauch und intensive Landwirtschaft bedroht sind. Die Schmetterlinge kommen auch in naturnahen Gärten vor.

Raupe der Spanischen Flagge

Raupe der Spanischen Flagge – Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761)
Rheinland-Pfalz, Reil/Mosel, 23. Mai 2015 (Foto: Tim Laußmann)

Dieser Nachtfalter ist nicht nur nachts unterwegs, sondern auch tagaktiv! Im August, zu seiner Hauptflugzeit, kann man ihn im Sonnenschein an Rändern von Waldwegen, an Säumen von Wäldern oder Gebüschen, am Ufer von Bächen und Gräben oder in ehemaligen Steinbrüchen sehen, wenn er an seinen Lieblingspflanzen Nektar saugt. Denn dieser Bärenspinner hat, anders als etliche seiner Verwandten, einen gut entwickelten Saugrüssel. Der Gewöhnliche Wasserdost als auffällige und bis mannshoch wachsende Staude ist nicht zu übersehen. Es lohnt sich, an den Blüten nach dem Falter zu schauen – wenn man ihn nicht schon umherfliegen sieht und vielleicht zunächst an einen Tagfalter denkt. Er ist jedoch nicht auf den Wasserdost beschränkt – er nutzt auch viele andere Blütenpflanzen und kommt gerne in Gärten mit entsprechendem Angebot.

Rasante Ausbreitung nach Norden

Durch die höheren Temperaturen aufgrund der Klimakrise breiten sich viele wärmeliebende Schmetterlingsarten nach Norden und in höhere Lagen aus.  Galt Euplagia quadripunctaria früher als  seltener und gefährdeter Bewohner der Wärmegebiete vor allem Süddeutschlands, kommt er inzwischen auch in höheren Lagen und weiter nördlich vor. Die derzeitige nördliche Verbreitungsgrenze liegt in etwa vom Niederrhein über den Harz bis nach Berlin, und verschiebt sich ständig weiter nach Norden.

In den Nachbarländern sieht es ähnlich aus. Die Niederlande weisen Funde bis in die Höhe von Amsterdam auf. In England war der „Jersey Tiger“ bis vor wenigen Jahren auf die Kanalinseln und Teile der Südküste beschränkt. Heute ist der Süden gut besiedelt und Mittelengland erreicht. Generell reicht das Verbreitungsgebiet von Spanien über Süd- und Mitteleuropa, ostwärts bis an den Ural und im Südosten über Kleinasien bis in den Iran.

Die Verbreitung konnte durch das Engagement zahlreicher Bürgerwissenschaftler*innen quasi in Echtzeit dokumentiert werden. Digitale Werkzeuge wie die Plattform Observation.org und die App ObsIdentify ermöglichen es Naturbegeisterten, Funde schnell per Handyfoto zu bestimmen und so wichtige wissenschaftliche Daten bereitzustellen.

Spanische Flagge - Übersichtskarte der aktuellen Verbreitung. Grafik: Sofie Beckerbauer

Spanische Flagge – Übersichtskarte der aktuellen Verbreitung. Grafik: Sofie Beckerbauer
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Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung

Warum expandiert Euplagia quadripunctaria in Mitteleuropa so stark? Haupttreiber ist sicherlich die globale Erwärmung. Die steigenden Temperaturen befähigen etliche wärmeliebende Falterarten dazu, ihr Areal nach Norden und in die Höhe zu erweitern. Euplagia quadripunctaria ist dabei ein besonders eindrucksvolles Beispiel – das Auftauchen des großen Falters wird bemerkt, er ist leicht zu bestimmen, die Ausbreitung geschieht schnell. Das ist „Klimawandel zum Anfassen“. Dass zugleich viele weitere einheimische Arten abnehmen oder gar verschwinden, geschieht schleichend und im Verborgenen.

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Zwischen Planck und Kafka – Westdeutscher Entomologentag auf neuen Wegen

Ein buntes Völkchen versammelte sich am letzten Novemberwochenende in Düsseldorf zum Westdeutschen Entomologentag. Der WET 2024 fand nicht wie gewohnt im Löbbecke-Museum statt, sondern im nahegelegenen Max-Planck-Gymnasium. Und das war auch gut so!

Abbildung 1: Gerolsteiner Kleiderbügel-Ameise, Erstnachweis auf dem WET 2024. Der oder die Künstlerin ist unbekannt.

Schultoiletten sind normalerweise kein Orte, an denen man sich länger als nötig aufhält. Keine Klobrille, Graffiti an den Wänden, „Atmosphäre“ wie auf einer Autobahn-Raststätte. Und aus diesem „Stillen Örtchen“ dringen zudem ungewöhnliche Geräusche heraus, jemand liest laut aus einem Buch vor. Spätestens jetzt war klar, dass auf dem WET  2024 irgend etwas merkwürdiges im Gange war.

Die SchülerInnen des Gymnasiums hatten sich im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Thema Insekten beschäftigt. Und so wurde nicht nur phantasievoll gebastelt, sondern auf dem Klo auch Kafkas „Verwandlung“ vorgelesen. Oberstufen-Pflichtlektüre vom Band, in Dauerschleife. Sofort steigen einem die alten Bilder von Kafkas Käfer Gregor Samsa in den Kopf, der auf dem Rücken liegt und mit Armen und Beinen rudert. Entomologie Heute, mal ganz anders!

Nach dieser eher ungewöhnlichen Einführung in die Insektenkunde ging der WET allerdings wie gewohnt mit Vorträgen an den Start! Engagierte Studierende mit neuen Projekten, Wissenschaftsmanager, die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung vorstellen, polternde Gelehrte, die endlich ein Umdenken im Naturschutz fordern. Dazwischen Schüler, Citizen Scientist-Experten, Behördenmenschen und lokale NaturschützerInnen. Insgesamt hatten sich für den WET über 140 Leute angemeldet, und die Aula des Gymnasiums bot großzügig Raum für die Vorträge, kleine Tischgruppen für die Kaffeepausen, und ein paar Infostände.

Zwei Tage waren dicht gepackt mit spannenden Beiträgen, Langeweile kam nie auf. Thematisch war wohl für jeden etwas dabei, hier eine kleine Auswahl aus dem Programm: Es kommen immer mehr und neue Arten durch den Klimawandel zu uns. Die Seehundläuse haben Superkräfte und lassen sich nicht abschütteln. In den Niederlanden boomt die Erforschung der „Schietmotten“ genannten Köcherfliegen, befeuert durch die Datenberge aus den Bürgerwissenschaften. Tropische Froschmücken kann man mit Gequake vom Band anlocken, das eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Und es gab auch praktische Tipps für das Vereinsleben, am Rande der Entomologie: So berichtete der Düsseldorfer Sinnesökologie-Professor Klaus Lunau, dass die Einnahmen einer Spendendose steigen, wenn man ein Gesicht darauf abbildet!

Á propos Spendendose: Die Veranstaltung war gut besucht, der Service mit Kaffee, Keksen und Käsebrötchen lief wie am Schnürchen, das Bier beim Stehempfang am Abend war kühl und lecker. Die Arbeitsgemeinschaft war kopfstark vertreten, am Infostand gab es zahlreiche gute Gespräche, und die angebotene Literatur fand ebenfalls starkes Interesse. Für unseren Verein eine erstklassige Möglichkeit, unsere Themen zu präsentieren. Denn wir brauchen Geld! Nur so viel sei vorab verraten: Der Kampf für den Apollofalter geht in die nächste Runde. Einen Spendenaufruf dazu findet Ihr im nächsten Heft der Melanargia, das Anfang Dezember in den Briefkästen liegt.

Hier nur noch eine Schlußbemerkung: Die gesamte Veranstaltung wäre platzmäßig im Löbbecke-Museum gar nicht möglich gewesen, wo die beiden Seminarräume klein und schlecht belüftet sind, und man sich in den Pausen immer durch den Vorraum quetschen muss.

Das Max-Planck-Gymnasium als Partnerschule des Museums bietet dem WET die Möglichkeit, in Zukunft weiter zu wachsen. Danke für die schönen Kunstwerke und die großzügige Überlassung der Aula! Und besonderer Dank an Manuel König und das Organisationsteam vom Aquazoo-Löbbecke Museum!

 

 

 

 

 

 

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